Eine feste Crew habe ich auf meiner 505er Jolle nicht und über die letzten Jahren hatte ich ziemlich viele unterschiedliche Segler und Seglerinnen auf dem Boot.
Angefangen von den eigenen Kindern, Segelanfängern oder erfahrenen Skiff Seglern. Auch erfahrene 505er Segler waren dabei oder sie wurden erfahrene 505er Segler.
„Onboarding“ auf dem Boot
Wenn ich jemanden das erste oder zweite Mal auf meinem Boot habe, gibt es immer eine kurze Einweisung. Wo ist der Arbeitsbereich vom Vorschoter? Welche Leinen müssen bedient werden? Wie wird das Doppelspibaum-System bedient und worauf ist sonst noch zu achten?
Wo ist was, was muss bedient werden und vor allen „Best-Practices“ wie man am besten in das Trapez geht. Da gibt es schon viele unterschiedliche Techniken, die von Bootsklasse zu Bootsklasse variieren. So stelle ich sicher, dass der Frust wenn etwas nicht gleich klappt, nicht so hoch ist.
Die Menge an Streckern, Seilen, Leinen, Klemmen überfordert die meisten Mitsegler, wobei die den Vorschoter nicht interessieren, da die meisten vom Steuermann bedient werden. Aber auch erfahrene Segler müssen sich erst mal orientieren. Auch ich, wenn ich auf einer anderen 505er segel, geht zunächst der routinerte Griff nach den Fockschoten ins Leere, weil die Klemmen etwas anders positioniert sind zum Beispiel.
Sagen wenn’s klemmt
Des Weiteren fordere ich auch immer, dass sie mir sagen, wenn etwas schwergängig ist, klemmt oder komisch anfühlt. Denn nur ich kenne das Boot mit seinen Macken und habe für die meisten Probleme eine Lösung.
Geduld und Toleranz
Geduld und Toleranz mit den Neuen ist ebenfalls wichtig, das entspannt beide.
Hier unterscheidet sich der Umgang zu den Erfahrenen, wo die Erwartung höher ist und auch mal ein raues „na los“, „mach endlich!“ oder „beeil dich!“ an den Vorschoter geht.
„Onboarding“ im Business
Im Business ist das Onboarding von neuen Mitarbeitern auch sehr wichtig, um den Einstieg in die neue Firma, deren Prozesse, Kollegen und Tools zu erleichtern. Immer wieder erlebe ich, dass die neuen Kollegen immer anfangen zu arbeiten, so wie sie es von den vorigen Firmen kannten oder gewohnt waren. Fehlerhafte Berechtigungen von Netzwerkfreigaben oder die Verwendung von gleichen Kennwörtern für verschiedene Active-Directory Accounts sind dann die Regel.
Die Folge, Findings („incompliance“), geringe Sicherheit oder sehr lange Troubleshooting Sessions, weil die Systeme nicht den Firmenstandards entsprechende konfiguriert sind. Neue Mitarbeiter benötigen anfangs Betreuung und brauchen auch einen Ansprechpartner für ihre Fragen. Doch leider ist es in der Praxis doch immer etwas anders. Nach dem allgemeinem Onboarding-Tag werden die neuen in Ihrer Abteilung doch ins kalte Wasser geworfen.
Warum eine gute Dokumentation neuen und bestehenden Mitarbeitern hilft?

Dokumentation – für viele Menschen noch ein Fremdwort. Dabei hilft uns die Dokumentation oder die Beschriftung der Klemmen des Bootes, sich zu orientieren um im richtigen Moment die richtige Leine zu ziehen. Neuen Mitseglern hift es auch schneller die richtige Leine zu finden oder ohne zu Fragen zu erfahren, was für was da ist. Schließlich hat jede der ganzen bunten Leinen auf dem Boot einen Nutzen.
Im Business ist es genauso. In Sharepoint, Confluence und Co. hilft die Dokumentation von IT-Problemen, Prozessen, Anwendungen und Systemen neuen Mitarbeitern sich selbstständig informieren können oder einen zentralen Einstieg zu erhalten. Nur wenn Fragen durch die bestehende Dokumentation nicht geklärt werden können wird ein weiterer Mitarbeiter benötigt. Das reduziert die Einstiegshürden und spart Zeit bei den Kollegen.
Segeln for Business – Training und Routine
In den meisten Situation geht es relativ Reibungslos und entspannt beim Segeln zu. Zumindest für mich als Steuermann 🙂
Gerade bei neuen Mitseglern spreche ich vorher das Manöver durch oder was wie früher oder später zu machen ist. Im Geiste bin ich da voll beim Vorschoter. Da ich selber bei Regatten oder auch mal so gerne als Vorschoter mitsegle, habe ich auch an der Position viel Erfahrung, die ich gerne mit den Neuen teile, damit sie schnell und sicher die Manöver (Prozesse) abarbeiten.
Beispiel – Prozess: Spi Bergen
Der Ablauf vom Bergen des Spinnakers (Spi / Kite) ist auf allen 505er Jollen gleich. Der Steuermann löst das Spi-Fall und der Vorschoter zieht den Spi an der Bergeleine (Narbelschnur) rein. Erst nach dem Dritten oder vierten Zug oder wenn der Spinnaker nicht weiter runtergeht, wird der Spibaum reingeholt. Danach kann der Vorschoter den Spinnaker weiter bergen, bis er komplett im Spitunnel verschwunden ist. Löst man den Spibaum zu früh, fallen Teile vom Spi oder der Schoten ins Wasser und das Boot fährt dann rüber. Im schlimmsten Fall muss dann das Boot auf die Seite oder der Spi neu „sauber“ angeleint gelegt werden. Ich gebe zu, im Eifer des Gefechts oder bei fiesen Winddrehern während des Bergens passiert es uns auch mal in der Regatta. Aber grundsätzlich lässt sich die Häufigkeit von sowas durch die richtige Bedienung reduzieren oder komplett vermeiden.
Erklärt man das Manöver vorab mit dessen Ecken und Kanten, achtet der neue Mitsegler von vornherein darauf und mögliche Fehler werden vermieden. Durch ein regelmäßiges Wiederholen (Training/Anwendung) kommt eine gewisse Routine, wodurch man nicht mehr über jeden einzelnen Schritt nachdenken muss. Das Hilft, gerade in Regatten oder bei stärkeren Wind.
schnellere Abläufe
Wenn ich an meine Anfänge mit den Spinnaker auf meiner 470er Jolle zurückdenke, dauerte das Bergen vom Spi 60-120 Sekunden. Quasi eine halbe Ewigkeit. Heute auf dem 505er mit Training und Routine ist das Thema in unter 15-25 Sekunden erledigt. Auch durch meine Segelerfahrung als Vorschoter und Steuermann ist es mir möglich, schnell und meistens mit einem Handgriff die Ursache zu lösen, die das Bergen des Spinnaker verhindert
Im Business ist es ähnlich. Eine vernünftige Einweisung / Training hilft den neuen Mitarbeitern beim Einstieg in die Bedienung der unzählichen Tools oder erfährt, mit welchem Tool sich welche Arbeiten erledigen lassen oder worauf zum Beispiel beim Anlegen von Active-Directory Accounts zu beachten ist (Thema: keine mehrfache Verwendung von einem Passwort).
Aufgaben lassen sich dann schneller, effizienter und frustfreier erledigen. Erfahrene Kollegen können als „Onboarding Body“ für die erste Zeit zur Seite zu stehen und zu coachen.
Beispiel – untrainiert und trainiert beim Starkwindsegeln
Ich möchte noch ein gutes Beispiel für untrainiert und trainiert/eingespielt erläutern.
Vor einigen Wochen war es sehr windig in Rostock. Der Grundwind lag bei 17-20kn und in Böen gab es Spitzen von bis zu 30kn. Während der Böen hörte es sich im Rostocker Stadthafen wie auf einem Flughafen an, wenn ein großer Jumbojet startet. Diese Bedingungen nennen wir immer „Überlebenskampf“, weil hier der Vorschoter und Steuermann perfekt funktionieren und sich beiden aufeinander verlassen können müssen.
Es kommt ein Befehl zur Wende oder Halse vom Steuermann, und dann geht es los. Der Vorschoter löst die Fockschot, kommt zurück ins Boot, wechselt auf die andere Bootsseite, während er die Fock anzieht und zurück raus in Trapez geht, während ich als Steuermann lediglich das Ruder lege und das Großsegel etwas öffne und dann wieder dicht ziehe, abhängig vom Kurs. Easy oder?
Aber bei den Bockbeinigen Bedingungen muss das alles in einem Zug passieren. Die Fock muss gelöst werden, bevor der Vorschoter reinkommt und der Vorschoter muss so schnell wie möglich in das Trapez nach der Wende. Zeit für eine Verschnaufpause ist da nicht! Klappt das nicht, oder ist sehr unsynchron, bleibt das Boot im Wind stehen oder man kentert. Beides ist mist. Solche Situationen habe ich schon häufig mit neuen Seglern auf meinem Boot erlebt.
In meinem Verein habe ich mehrere Segler mit denen ich in den letzten Jahren häufig segeln war und mit denen man bei diesen Bedingungen klar kommt. Es ist zwar anstrengend und weiter außerhalb des Bequemlichkeitsbereiches, aber es geht. Ich erinnere mich an ein Erlebnis mit Marius. Vor Jahren bei starken Wind rausgegangen und dann mussten wir es abbrechen, weil wir es einfach nicht geschafft haben, das Boot am Laufen zu halten. Nun nach mittlerweile 3-4 Jahren, gehört Marius zu meinem bevorzugten Mitseglern für diese Bedingungen. Ein gutes Beispiel für Training und Routine
Beispiel – Prozess: Kenterung
Eine Kenterung führt man wirklich nur äußerst selten bewusst herbei. ENTWEDER weil der sich der SPI nicht bergen lässt und das Ufer oder Mauer näher kommen ODER weil der Wind einem einen Streich spielt ODER irgendwas beim Manöver schief geht. Zack, das Boot kippt (krängt), bis beide im Wasser liegen.
Ein erfahrener Vorschoter pickt sich kurz vor der Kenterung (Boot liegt fast auf der Seite) aus dem Trapez aus und bewegt sich zum Schwert oder wenn es wirklich zu schnell ging, versucht der Vorschoter sich nach der Kenterung direkt an das Schwert zu hängen, um ein Durchkentern zu verhindern, während der Steuermann die Schoten der Segel löst und den Spi reinholt.
Ein unerfahrener Vorschoter fällt bei der Kenterung nach Lee meistens in das Segel. Ohne die Chance das Schwert schnell zu erreichen, kentert das Boot gemächlich durch.
Hat man sowas nicht schon erlebt, ist man erst mal total verwirrt was gerade passiert ist.
Vor ein paar Wochen war Robert und mir beim Start zur Freitagsregatta ähnliches passiert. Knapp eine Minute vor dem Start überraschte uns eine sehr starke Windoböe. Der 505er kippte plötzlich um. Wir beide reagierten sofort richtig und konnten das Boot sehr schnell wieder aufrichten, sodass wir kurz vor dem Startschuss wieder segelklar waren. Beide haben autark und routiniert reagiert und richtig gehandelt.
Das alles waren Beispiele dafür, wie gut antrainierte und erahrene Leute den Ausgang einer Situation beeinflussen, in dem sie die Manöver sicherer und schneller durchziehen oder durch die richtig Intuitive Reaktion eine Durchkenterung verhindern.
gemeinsamer Austausch, Trainings, Table-top-Excercises
Auch im Business ist es so dass Mitarbeiter, die schon lange in einem Job sind und ihr Handwerk verstehen, in vielen Situationen richtig oder einfach nur schneller handeln, weil sie aufgrund ihrer Berufserfahrung wissen was zu tun ist. Was nicht heißt, dass neue Kollegen nicht auch abseits der bekannten Pfade Lösungen finden.
Um diesen Gap zwischen Neuen und Erfahrenen Kollegen zu schließen, müssen gemeinsame Trainings oder Erfahrungsaustäusch her. Im IT-Security Bereich führen wir jährliche Table-Top-Excercises durch, die auf Fällen aus der Vergangenheit basieren. Dadurch kommt ein guter Erfahrungsaustausch zu stande von dem Erfahrene und unerfahrene Kollegen beiderseits von profitieren.
Offen sein
Nun möchte ich natürlich nicht neue Mitarbeiter klein reden. Natürlich bringe neue Kollegen nicht nur mehr Arbeitskraft mit rein! Einen „frischen“ Blick, neue Ideen und Ansätze können nur von neuen Mitarbeitern kommen, da man als langjähriger Mitarbeiter doch irgendwann eingefahren und auch Betriebsblind geworden ist.